
Im Interview: Rebecca Geyer und Josef Kaiser vom netzwerk n e.V.Studierende / netzwerk n ist im HOCH-N-Fachbeirat vertreten
10. September 2018, von Christine Stecker

Foto: netzwerk n
Frau Geyer, Herr Kaiser - was sind in Ihren Augen die drei wichtigsten hochschulinternen Faktoren, damit Nachhaltigkeit an Hochschulen funktioniert?
netzwerk n: Nachhaltigkeit sollte fest in die Strukturen der Hochschulen verankert werden. Dazu bedarf es eines klaren Bekenntnisses im Leitbild einer Hochschule sowie der partizipativen Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, welche alle Bereiche hochschulischen Handelns – sprich Lehre, Forschung, Governance, Betrieb und Transfer – umschließt.
Außerdem sehen wir die Schaffung von Dialog- und Beteiligungsformaten als besonders wichtig, um eine Teilhabe aller Statusgruppen am Transformationsprozess der Hochschulen zu ermöglichen. Dabei sollte gerade auch das transformative Potential der Studierenden genutzt werden.
Von besonderer Bedeutung ist auch eine hohe Motivation und Offenheit der Universitätsleitung.
Was sollten Hochschulen jetzt tun, um Antworten auf die großen globalen Herausforderungen zu finden und welche lücken übersehen Hochschulen aktuell? (Klimawandel, Migration, Ungerechtigkeit, Bevölkerungswachstum, etc.)
netzwerk n: Die Forschung ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Hochschulen, um Erkenntnisse über die aktuellen ökologischen und sozialen Krisen zu generieren und damit eine Diskussionsgrundlage bereitzustellen. Zugleich sollte sich aber auch die Wissenschaft ihrer eigenen Verantwortung und Vorbildfunktion innerhalb der Gesellschaft bewusst werden.
Viele Hochschulen übersehen aktuell dieses Potential und die Notwendigkeit, sich selbst als Akteure des Wandels zu verstehen, denn ein erfolgreicher Transformationsprozess in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft kann nur unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Akteure, also auch der Hochschulen, gelingen. Vor diesem Hintergrund ist es unserer Ansicht nach essentiell, dass Hochschulen Labore des Wandels darstellen, um aus den alarmierenden Forschungsergebnissen heraus Lösungsvorschläge entwickeln zu können. Konkret bedeutet dies beispielsweise, im betrieblichen Bereich auf einen geringen Ressourcenverbrauch zu achten oder nachhaltigere Formen der Mobilität auf dem und zum Campus zu ermöglichen. Auch sollten Hochschulen Lehre nicht auf den bloßen Zweck der Berufsvorbereitung reduzieren und stattdessen die Befähigung der Studierenden zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme im Sinne einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt stellen.
Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit aller Disziplinen, denn nur unter Beteiligung aller Fachbereiche kann in gegenseitiger Wertschätzung und in einer gelebten Kultur der Interdisziplinarität der Begriff der Nachhaltigkeit mit Leben gefüllt werden.
Wenn Sie der nachhaltigen Entwicklung Deutschlands aktuell eine Schulnote (sehr gut – ungenügend) geben müssten – welche wäre das?
netzwerk n: Mangelhaft (5), doch nur, da sich insgesamt aktuell zu wenig tut. Doch unterschlägt dies die Bemühungen vieler einzelner Akteure in Deutschland und weltweit, die sich tagtäglich für eine sozial-ökologische Transformation einsetzen und dabei unglaublich viel bewegen.
Wer sind aus Ihrer Sicht die inspirierendsten Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen und wem zuhören?
netzwerk n: Kate Raworth, Christian Felber, Harald Lesch und viele weitere.
Doch zuhören sollten wir auch vielen anderen Menschen aus den verschiedensten Bereichen, denn neben vielen bekannten inspirierenden Persönlichkeit findet sich Inspiration auch oft im Kleinen. Die aktuellen globalen Probleme können manchmal das Gefühl der Ohnmacht hervorrufen. Umso mehr motiviert es aber, Projekte auf lokaler Ebene zu initiieren. Immer wieder sehen wir im Zuge unserer Vereinsarbeit, welche Energie und Kraft darin liegt, ganz konkret vor Ort – in unserem Fall beispielsweise an den Hochschulen – aktiv zu werden und gemeinsam mit anderen Menschen einen Wandel anzustoßen.
Wo liegen Ihre wissenschaftlichen Schwerpunktinteressen?
Rebecca Geyer steht am Ende ihres Bachelorstudiums in Geographie und hat sich während ihres Studiums vor allem mit Veränderungen von Landnutzung und von Mensch-Umwelt-Systemen auseinandergesetzt. Ihr Engagement im netzwerk n liegt schwerpunktmäßig auf den Themen der Projekt- und Formatentwicklung und der Nachhaltigkeits- und Wissenschaftspolitik auf verschiedenen Ebenen.
Josef Kaiser setzt sich innerhalb seines Studiums und seiner Masterarbeit schwerpunktmäßig mit der Klimawandelproblematik, den ökologischen Belastungsgrenzen sowie nachhaltigen Wirtschaftssystemen im Kontext zunehmender Kommerzialisierungstendenzen im Bereich des Naturschutzes auseinander. Innerhalb des netzwerk n liegt sein Fokus auf den Themen Nachhaltigkeitsgovernance an Hochschulen sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Welchen Mehrwert schafft HOCHN für Ihr Engagement für eine nachhaltige Hochschullandschaft?
netzwerk n: Das netzwerk n ist primär ein Netzwerk aus Studierenden, Promovierenden und jungen Berufstätigen. Der Verbund HOCHN ermöglicht es, uns über diese Zielgruppe hinaus zu vernetzen und auf Augenhöhe mit den einzelnen teilnehmenden Hochschulen gemeinsam die deutsche Hochschullandschaft nachhaltig zu gestalten und zu verändern.
Was sollten wir noch über Sie wissen?
netzwerk n: Der Fokus der Arbeit des netzwerk n ist die Transformation der Hochschulen im Sinne der Nachhaltigkeit. Primär sprechen wir die Zielgruppen Studierende, studentische Initiativen, Hochschulgruppen und Organe der verfassten Studierendenschaft sowie Promovierende an und möchten diese mit unseren Aktivitäten stärken, eine Hochschullandschaft in nachhaltiger Entwicklung mitzugestalten. Als Netzwerk verbinden wir zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen, die sich aktiv und erfolgreich für mehr Nachhaltigkeit an Hochschulen engagieren, beispielsweise durch unser Wandercoachingprogramm oder unser Diskussionsformat perspektive n.
Außerdem bringen wir die Stimme der Studierenden intensiv in die politischen Debatten über eine Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung, und damit auch der Bildung für nachhaltige Entwicklung ein – sei es durch die kritisch-konstruktive Mitarbeit in politischen Gremien, durch Vorträge und Workshops oder die Teilnahme an Tagungen und Podiumsdiskussionen. Ganz nach dem Motto: Mitgestalten durch Einmischen!
Das immer wachsende Engagement von studentischen Hochschulgruppen und Hochschulen selbst, das wir in unserer Arbeit in den letzten Jahren erleben durften, sehen wir als großen Erfolg. Es ermutigt und zeigt uns, dass viele bereits auf einem guten Weg sind und einen Beitrag im Sinne der nachhaltigen Entwicklung leisten.
Vielen Dank.
Aktuelle Publikationen des Vereins netzwerk n e.V.:
netzwerk n e.V. (2016): Zukunftsfähige Hochschulen gestalten. Beispiele des Gelingens aus Lehre, Governance, Betrieb und Forschung. 1. Auflage, Berlin.
netzwerk n e.V. (2018): Zukunftsfähige Hochschulen gestalten. Beispiele des Gelingens aus Lehre, Forschung, Betrieb, Governance und Transfer. 2. Auflage, Berlin.
sneep e.V., weitblick e.V., netzwerk n e.V., Was bildet ihr uns ein? e.V. (2018): Positions- und Forderungspapier „Nachhaltigkeit und Ethik an Hochschulen“. 2. Auflage, Berlin.
Weitere Informationen zum netzwerk n e.V.: www.netzwerk-n.org